Eine Medikamentenabhängigkeit entsteht meist schleichend, leise und unauffällig. Wie bei anderen Süchten auch, spielen dabei vielfältige persönliche und soziale Faktoren eine wichtige Rolle.
Beispielsweise greifen viele Betroffene gerade nicht wegen eines Rauschzustandes zu Medikamenten. Vielmehr versuchen sie so, Beschwerden wie Schmerzen oder Schlafstörungen zu überwinden. Seltener kommt es vor, dass Abhängige von Drogen wie Alkohol, Heroin oder Kokain Arzneimittel verwenden, um Entzugssymptome zu „behandeln“ oder die Drogen zu ersetzen.
frei verkäufliche Medikamente wie einige Schmerzmittel sind nicht ohne Gefahr. Vor allem, wenn sie neben schmerzstillenden Substanzen anregend wirkendes Koffein enthalten. Insbesondere wenn Sie häufig Schmerzmittel einnehmen, um trotz andauernder und einschränkender Schmerzen leistungsfähig zu bleiben, tragen Sie ein erhöhtes Risiko für eine spätere Abhängigkeit. Experten empfehlen daher, freiverkäufliche Schmerzmittel nicht länger als drei Tage hintereinander und nicht mehr als zehnmal im Monat zu verwenden. Bei anhaltenden
Beschwerden ist ärztlicher Rat gefragt.
Frauen sind häufiger betroffen
Mehr als zwei Drittel der Medikamentenabhängigen sind Frauen, vor allem mittleren und höheren Alters. Häufiger als Männer leiden Sie unter Depressionen, Schlaf- und Angststörungen sowie chronischen Schmerzen. Daher kommen Frauen auch häufiger mit Medikamenten in Kontakt, die abhängig machen können. Darüber hinaus greifen vor allem Frauen auf aktivierend wirkende Appetitzügler zurück, meistens um dem gesellschaftlichen Frauenbild oder Schönheitsidealen zu entsprechen.
Neben vielen anderen Faktoren erklären Rollenbild und Erziehung möglicherweise auch, weshalb Frauen generell häufiger Tabletten einnehmen. Besonders in psychisch belastenden Situationen verwenden sie lieber Medikamente, während Männer ihre Sorgen eher mit Alkohol bekämpfen.
Eine weitere Risikogruppe sind ältere Menschen. Insgesamt etwas mehr als die Hälfte aller jährlich verordneten Medikamente entfallen auf Menschen jenseits des 60. Lebensjahres. Viele Medikamente wirken bei ihnen anders als bei Jüngeren. Eine Substanzgruppe mit besonders hohem Abhängigkeitspotenzial sind die sogenannten Benzodiazepine. Das sind rezeptpflichtige Arzneimittel, die unter anderem angstlösend, schlaffördernd oder krampflösend wirken. Bei langfristigem Einsatz oder nicht ausreichend kontrollierter Anwendung drohen jedoch ernsthafte Nebenwirkungen wie Gewöhnung und Sucht. Untersuchungen haben zum Beispiel ergeben, dass etwa acht Prozent der über 70-jährigen Frauen dauerhaft Benzodiazepine verordnet bekommen. Insgesamt sollen, so eine andere Studie, fast ein Viertel der über 70-Jährigen – Männer und Frauen – psychoaktive Substanzen erhalten, die die meisten länger als ein halbes Jahr einnehmen.
Ein Warnsignal für bereits bestehenden Tablettenmissbrauch ist, wenn Sie ein Mittel bereits vorausschauend einnehmen – beispielsweise, um bei einem wichtigen Termin Kopfschmerzen vorzubeugen. Eine Sucht äußert sich oft darin, dass Sie die Dosis immer weiter steigern und Sie Medikamente horten. Panik kommt auf, wenn keine Tabletten zur Verfügung stehen. Ein Warnzeichen für eine mögliche Abhängigkeit ist zudem, wenn Sie die Menge oder die Art der tatsächlich eingenommenen Medikamente vor anderen Menschen verbergen.
Wenn Sie derartige Anzeichen bei sich bemerken, sollten Sie sofort einen Arzt aufsuchen. Auch Gesundheitszentren und Beratungsstellen können weiterhelfen. Die Medikamente sollten Sie jedoch auf keinen Fall ohne ärztliche Begleitung absetzen. Denn der Entzug kann heftige Wirkungen haben: Angstzustände, starke Schmerzen, Atemnot und Krämpfe. Daher sollte die Entwöhnung nach Möglichkeit in einer Klinik erfolgen.